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Taoism and Webwork

Sven Lennartz über das unbeschwerte Leben und die Arbeit eines Webworkers, der sich für Qualität im Web einsetzt.


KriT: Du betreibst ein sehr erfolgreiches E-Zine für Webworker namens  Dr. Web. Wie kam es zu dem Projekt und welche Ziele verfolgst Du?

Sven: Angefangen hat alles ganz unscheinbar vor gut einem Jahr mit vier Zeilen Text und einer Idee. Ich wollte Webseiten testen und dafür Geld verlangen. Ein kleiner Absatz inmitten anderer Dienstleistungen. Überraschenderweise interessierte sich niemand dafür. Daraufhin habe ich es kostenlos angeboten und plötzlich eine Menge zu tun gehabt. Aus den Beobachtungen und Erfahrungen damit sind schnell die ersten Seiten mit Tips und Hinweisen entstanden. Es ist bis heute weiter gewachsen, auch wenn es längst keine Homepageprüfungen mehr gibt.

Über die Zukunft habe ich noch nicht entschieden. Es gibt da mehrere Ansätze. Eines kann ich sagen, das kommende Jahr wird spannend und arbeitsreich.

 

 

KriT: Du sagst »inmitten anderer Dienstleistungen«. Welche waren das?

Sven: Die typischen Webleistungen wie Design und Redesign. Davon hat sich Ideenreich allerdings entfernt. Ich setze auf Schulungen, Training, Projektbegleitung und dergleichen Leistungen. Da mögen viele Leute anderer Meinung sein; ich denke aber, es ist zumindest für etwas größere Firmen sinnvoll, den Webautritt selbst in die Hand zu nehmen. Damit das Web zu einem Bestandteil der Unternehmenskultur wird. Dazu braucht es dann eine Art Web-Berater, der die Leute vor Ort schult, bei der Planung hilft und gegebenenfalls Designer oder Programmierer vermittelt. Das Web ist anders als in einem Prospekt kein Abbild von einem Unternehmen, sondern ein lebendiger Bestandteil davon. Eine Website IST das Unternehmen, um diese Aussage auf die Spitze zu treiben.

Unglücklicherweise hat sich das noch nicht herumgesprochen. Bis dahin wird es auch weiterhin schmerzhafte Selbstversuche mit Instantlösungen geben. Doch das erfolglose Diktat der Tütensuppe wird hoffentlich bald ausgedient haben.

 

 

KriT: Diktat der Tütensuppe? Du scheinst ja nicht gerade zufrieden zu sein mit dem, was man hierzulande Webdesign nennt. ;-) Was stört Dich und was fehlt dem Webdesign im deutschsprachigen Web prinzipiell?

Sven: Das Web ist mir grundsätzlich zu technik- und zahlenverliebt. Zu viele Webgestalter denken nur an Browser und Codes, nicht aber an die Menschen, die das dann benutzen sollen. Der Counter steht im Mittelpunkt, nicht der Gast. Individuelle Lernprozesse und Experimente finden in der Öffentlichkeit statt. Das ist eine recht seltsame Situation. Aber daran gibt es nichts zu kritisieren, schließlich wird immer von »Neuen Medien« geredet. Gerade deshalb halte ich es für wichtig, das eigene Tun mehr zu reflektieren, darüber nachzudenken und es einer ständigen Prüfung zu unterziehen. Nicht eben selten wird das Medium auch unterschätzt, nicht für voll genommen.

Es gibt Projekte, die sehen aus, als hätte ihr Designer nie eine andere Website gesehen. Es ist schwer nachzuvollziehen, warum sich Firmen in aller Öffentlichkeit selbst schaden. Man darf annehmen, daß sie es nicht mit Absicht tun. Sie unterschätzen es einfach, und sind sich der Konsequenzen ihres Handelns gar nicht bewußt.

 

 

KriT: Daß Dir die Menschen am Herzen liegen, zeigen Deine Aktivitäten als Gründer eines kleinen Verlages, der taoistische Texte herausbringt. Auch Dein Projekt Zauberhaft geht in diese Richtung. Aus welchen inneren und äußeren Quellen kommen diese Projekte und was sind das für Texte, die Du dort veröffentlichst?

Sven: Mein wichtigstes Werk ist das »Buch vom unbeschwerten Leben«. Es ist in zwei Auflagen gedruckt worden. Die erste Online-Variante war eine Win-Hilfe-Datei, noch bevor ich zum Web kam. Lange schon gibt es HTML-Versionen in Deutsch und Englisch, eine italienische Übersetzung kommt bald hinzu. So ein Buch kann man nur schreiben, wenn man selbst völlig frei ist. Dazu habe ich 1989 Urlaub genommen und das ganze Jahr über nicht ein Stück gearbeitet. Stattdessen habe ich gelesen, Musik gemacht und geschrieben. Das ist immer noch die beste Zeit meines Lebens gewesen. Da ich viele Interessen habe und sehr neugierig bin, wird es mir auch nie langweilig. So könnte ich ein ganzes Leben verbringen.

»Unbeschwert« und einige andere Projekte wie »Das Tao Orakel«, »Taomond« und weitere Gedichte können bei Taoism and Poetry gefunden werden. Dort ist gerade der 5. internationale Haiku Wettbewerb zu Ende gegangen. Haiku sind Kurz-Gedichte in einer traditionellen japanischen Form. 275 Autoren haben diesmal mitgemacht. Den Sieger bestimmt eine unabhängige 3-köpfige Jury, weil meine Englischkenntnisse dafür nicht ausreichen.

 

 

KriT: Bleiben wir bei der Textarbeit fürs Web: Deine Hauptarbeit für Dr.Web ist das Publizieren von Sachtexten, zudem schreibst Du als freier Autor regelmäßig für Tips &Tricks von Akademie.de. Was zeichnet eine gute Schreibe aus und welche Ansprüche stellst Du an publizistische Tätigkeit im Web?

Sven: Da muß ich mich bedeckt halten. Als Autor von Sachtexten spiele ich nicht in der ersten Liga. Ich bin froh, daß ich es so hinbekomme, daß ich (meist) verstanden werde. So etwas passiert, wenn man eine Sache nicht von der Pike auf gelernt hat und es dann trotzdem tut. Ich wüßte auch gar nicht, woran man das messen oder beurteilen könnte. In den Leserbriefen gibt es glücklicherweise keine Beschwerden über Qualitätsmängel. Ich verstehe es als Handwerksarbeit. Wichtig ist dabei, daß anwendbare und nützliche Informationen rüberkommen.


KriT: In einer Kurzvorstellung schreibst Du, daß für Dich, Jahrgang 62, jetzt die beste Zeit des Lebens beginne. Was meinst Du damit, wenn ich neugierig fragen darf?

Sven: Ich glaube das, weil ich mich als Selbständiger im Internet besser entfalten kann, als jemals zuvor. Die Grenzen werden eher durch das zu bewältigende Pensum gesetzt, denn durch Vorgesetzte oder Firmenhierarchien. Man ist recht frei und kann diverse Projekte realisieren, sofern sie einem genug am Herzen liegen. Der finanzielle Einsatz hält sich in Grenzen, und das ist ein wichtiger Unterschied zu »damals«. Ich denke auch, daß die wirkliche »Kreativitätswelle« noch bevorsteht. Eben weil viele Menschen noch zu sehr den zu lösenden technischen Dingen verhaftet sind und erst versuchen die Möglichkeiten auszuloten. Für mich persönlich sind das rosige Zukunftsaussichten.


KriT: Aber das unbeschwerte Leben ist da doch sicher vorbei, gerade Web-Arbeit bringt doch auch immer mehr oder weniger Ärger und Sorgen mit sich. Oder geht das spurlos an Dir vorüber, wenn man Dich angreift, weil Du offen und ehrlich schlechte Websites kritisierst?

Sven: Die Unbeschwertheit ist in einem drin. Da kann noch so viel schiefgehen, es kommt immer wieder durch und die Dinge geraten ins Lot. Was nicht heißt, daß man sich nicht genauso ärgern kann, genauso frustriert sein kann, wie sonst auch. Es gibt eine Menge unhöflicher Menschen, und E-Mail hat auch nicht zu menschlichen Umgangsformen beigetragen. Da muß man aufpassen, um nicht in das selbe Fahrwasser zu geraten. Grobe Unhöflichkeiten sind selten und werden gelöscht. Mit brutalen Mitteln kann man bei mir gar nichts erreichen, ich lasse mich auch nicht erpressen.


KriT: Im »Buch vom unbeschwerten Leben« schreibst Du: »Wer nichts riskiert, hat auch keinen Spaß«. Was hast Du riskiert im Hinblick auf Deine Herkunft und Lebenserfahrung?

Sven: Um ein »richtiger« Webworker werden zu können, habe ich vor 1 ½ Jahren einen gutbezahlten Job und ein phantastisches Team aufgegeben. Ich halte es für notwendig, von Zeit zu Zeit die Zelte abzubrechen und zu neuen Ufern aufzubrechen. Der Mensch braucht doch Perspektiven und Ziele. Sobald sich Routine einstellt, wird es Zeit, über andere Dinge nachzudenken. Etwas aufzugeben, ist gar nicht so schwierig, wenn man sich vor Augen führt, daß man es eines Tages aller Wahrscheinlichkeit nach sowieso tun muß.


KriT: Gut, ich halte den KriT-Apfel für Dich bereits bereit, er wird Dir frisch aus KriTschen Landen zukommen;-) Was denkst Du über Awards allgemein und diesen Apfel konkret?

Sven: Auf die KriT-Seiten habe ich schon vor langer Zeit mit Neid geschaut und mich gefragt, was man wohl tun müsse, um diesen Apfel zu bekommen? Jetzt weiß ich es. Es geht nur mit harter Arbeit.

An sich mag ich Awards. Besonders dann, wenn Sie - wie hier - wirklich etwas bedeuten oder wenn sie viele Hits bringen. Für die allermeisten gilt leider weder das eine noch das andere. Ich wünsche mir, daß KriT so weiter bestehen bleibt und häufiger gelesen wird. Danke ...


KriT: Danke für diese wohltuende Worte und für das offene Gespräch :-)


Ideenreich
 


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