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Lebenslanges Lernen

Birgit Bachmann über ihr Projekt Blinde Kuh - eine Suchmaschine für Kinder - und über gewisse Erlebnisse im Internet.


KriT: Du pflegst eine Suchmaschine für Kinder, die sehr sinnig "Blinde Kuh" heisst. Wie kam es zu diesem Projekt, was willst Du erreichen und wie ist die Resonanz darauf?

Birgit: Die "Blinde Kuh" entstand, nachdem Stefan R. Mueller seine erste Suchmaschine gebaut hatte, die Ariadne für die Suche nach Philosophie im Netz. Zu dem Zeitpunkt enthielt meine Kinderseite noch nicht viel mehr als eine umfangreiche Sammlung von kindgerechten Seiten, diese allerdings geordnet und kommentiert. Er bot mir das von ihm entwickelte Programm an, um daraus eine Suchmaschine für meine Kinderseite zu bauen. Die Idee gefiel mir ganz ausgezeichnet, da ich ein eifriger Sammler von Links bin, aber gern mehr draus machen wollte als eine simple Auflistung. Und zu der Zusammenstellung der vielen für Kinder geeigneten Seiten auf meinen Kinderseiten kam es, als wir einmal zusammen mit Stefans damals 10 Jahre alten Tochter im Netz nach Seiten für Kinder suchten, erbärmlich wenig fanden und wenn, dann meistens englischsprachige. Daran schliesst dann auch schon der zweite Teil Deiner Frage an

Ich finde es wichtig, dass schon Kindern der Umgang mit dem Computer und der Zugang ins Internet nahegebracht wird. Das Internet ist - anders als das Fernsehen - ein Medium, dass ein aktives Lernen ermöglicht. Lernen soll aber Spass machen! Und auch dafür habe ich die "Blinde Kuh" gemacht, denn Spass macht das Internet doch nur dann, wenn man findet, was man sucht. Die Anzahl der Suchergebnisse ist nicht immer gross, dafür aber ausgewählt. Hier können Kinder Seiten finden, die entweder speziell für sie gemacht wurden oder einfach interessant für sie sein koennen. Und die Eltern oder auch engagierte Lehrer brauchen keine Angst zu haben, dass ihre Kinder oder Schüler dort auf voellig ungeeignete Seiten stossen.
Das mein Angebot angenommen wird, merke ich besonders an den stetig wachsenden Zugriffszahlen. Post dazu bekomme ich ebenfalls häufig, allerdings mehr von Eltern und Lehrern als von Kindern selbst.

 

 

KriT: Kooperierst Du noch mit anderen Netzgeistern oder Institutionen, um das deutschsprachige Angebot für Kinder im Internet zu erweitern?

Birgit: Am meisten kooperiere ich - wie schon weiter oben erwähnt - mit Stefan Müller, von dem ich nicht nur die Suchmaschine bekommen habe, sondern auch ein überaus nützliches Tool, mit dem ich meine Kinder-Post verwalten kann. Dies ist aber nur ein Aspekt unserer Zusammenarbeit, darüberhinaus ergeben sich natürlich aus unserem gemeinsamen Interesse am Internet immer wieder Gespräche, die mich ( und ich hoffe auch ihn ) zu neuen Ideen anregen.


"Das Internet ist
eine konkrete Umsetzung
des lebenslangen Lernens."


Eine ganz konkrete Zusammenarbeit zum Webangebot für Kinder bahnt sich aber auch mit Tobias Gehle an, der die Lilipuz-Seiten vom WDR betreut. Wir wollen zusammen eine Mailing-Liste für Kinder anbieten. Hier empfiehlt es sich geradezu, so ein Projekt nicht allein zu betreiben, da eine Mailing-Liste für Kinder viel sorgältiger gepflegt werden muss als eine übliche.

 

 

KriT: Seit wann bist Du im Internet, wie bist Du da hingekommen und hat sich Dein Verhaeltnis zum Internet in dieser Zeit verändert?

Birgit: Mit Computern und Internet hatte ich früher herzlich wenig zu tun. Auch an meinem Arbeitsplatz hatte der Computer gerade erst Einzug gehalten. Die treibende Kraft war mal wieder Stefan, der auch in mir das Interesse am Internet weckte. Im August 1995 kaufte ich meinen ersten eigenen Computer, im November meldete ich mich bei CompuServe an und im April 1996 waren die ersten Seiten von mir im Netz.

Natürlich war mir der Umgang mit der neuen Technik anfangs noch gar nicht so selbstverständlich, aber meine Faszination über all die sich durch's Internet ergebenden Möglichkeiten machten mir das Lernen leicht. Inzwischen kann ich mir einen Alltag ohne Internet nicht mehr vorstellen. Per E-Mail halte ich Kontakt zu Freundinnen, die weggezogen oder sogar ausgewandert sind oder lerne neue Leute kennen, zu denen sich eine freundschaftliche Beziehung entwickelt. Besonders wichtig ist mir aber auch die Gestaltung eigener Seiten. Hier kann ich ständig etwas Neues lernen, mich weiterentwickeln. Das Internet ist eine konkrete Umsetzung des "lebenslangen Lernens". Und nicht nur dies, es bedeutet für mich auch ein neues Mittel der Kreativität. In keinem anderen Medium lassen sich eigene Ideen so schnell umsetzen und gleichzeitig auch veröffentlichen.

 

 

KriT: Du hast eine positive Seite des Internets gut auf den Punkt gebracht, so wie es mir aus der Seele spricht. Wie würdest Du denn die negativen Seiten auf den Punkt bringen? Was nervt, was wird weiter nerven, was und wer ärgert und was würdest Du am liebsten ändern?

Birgit: Was mich manchmal nervt, ist eine unangemessene Erwartungshaltung von Leuten an mich, die immer wieder vergessen, dass das, was ich und all die anderen privaten Homepage- Betreiber ins Netz stellen, ein Angebot ist, für das wir Zeit und Geld opfern. Wir tun das gern und freiwillig, sind aber keine Dienstleister auf Bestellung. Wenn mal ein Link nicht mehr funktioniert, was ja vorkommen kann, finde auch ich das ärgerlich, meine aber nicht, deswegen Vorwürfe bekommen zu müssen. Damit meine ich nicht die freundlichen Hinweise von Besuchern, die mich auf einen broken link aufmerksam machen und manchmal sogar den richtigen URL gleich mitliefern. Für solche Schreiben bin ich dankbar, ebenso für konstruktive Kritik.

Was ich aber nicht mag, ist pure Mäkelei oder negative Kritik, die oft nur auf schlechter Recherche oder eigener Dummheit basiert. Wenn jemand bemängelt, bestimmte Begriffe in meiner Blinden Kuh nicht zu finden, hat das oft ganz simple Gründe: das Wort ist falsch geschrieben oder der Begriff ist so abwegig, dass er in einer Suchmaschine für Kinder eigentlich nichts zu suchen hat. Und im übrigen ist meine Suchmaschine auch kein Robot, sondern enthält nur überprüfte und handverlesene Seiten. Der Verriss in der Internet World im letzten Jahr hat mich wirklich getroffen und fand ihn überhaupt nicht witzig. Für mein Engagement erwarte ich keineswegs das Bundesverdienstkreuz aber noch weniger, deswegen auch noch beschimpft zu werden.

Ich würde mir einen respektvolleren Umgang miteinander wünschen, ob sich das wohl jemals realisieren wird?

KriT: Im Netz der Netz zu arbeiten, bedeutet also, dass man Pöbelei und ungerechte Kritik nicht immer aus den Weg gehen kann. Aber in welchem Verhältnis stehen diese negativen Erfahrungen zu den positiven? Oder anders gefragt: Was bedeutet Dir der "Kontakt" im Netz?

Birgit: Naja, erst einmal bedeutet diese unangenehme Erfahrung mit Mäkelei und ungerechter Kritik eigentlich einen Lerneffekt für mich, nämlich dass es im Netz in manchen Dingen auch nicht anders zugeht, wie im täglichen Leben. Kritik und Anmache muss man sich zuweilen auch im Studium oder im Beruf gefallen lassen. Allerdings kann man dort direkt reagieren und kann auch sehen, wie dies vom Kritiker aufgenommen wird.

Meiner Meinung nach kommt es im Netzleben eher zu Missverständnissen als im üblichen Umgang mit anderen, das finde ich lästig. Ausgesprochen gut dagegen finde ich, dass so ein Extrem-Fall wie die Blinde Kuh-Kritik mir auch zeigt, wieviel wohlmeinende und sympathische Leute es gibt. Viele haben mir aufmunternde, sehr nette Mails geschickt. Und ein ganz ausserordentliches Angebot kam von der Firma WIA Kunststoffe, die mir völlig uneigennützig und kostenlos einen Server-Platz mit eigener Domain angeboten hat. Alexander Witsch schrieb mir: "Es ist einfach so, dass ich Deine Suchmaschine toll fand. Begeistert hat mich der Artikel in der einen Internetzeitung, in der über den Suchbegriff "Sex" geschrieben wurde; und dann war Deine Reaktion sehr gut. Ausserdem sollte gerade in einem Medium wie Internet, bei dem tatsächlich die Suchbegriffe zum Grossteil in Richtung Sex, Erotik, ... gehen, eine Seite wie Deine meiner Meinung nach unterstützt werden. Ich bin persönlich auch immer etwas frustriert, wenn das Arbeitsmedium Internet mit einer reinen Informationsquelle für obige Begriffe verglichen wird und dadurch die Akzeptanz verliert. "

Dies ist jetzt ein ganz ausserordentliches Beispiel für Kommunikation gewesen, die durchs Netz entsteht. Damit will ich aber auch deutlich machen, dass ich diesen Aspekt des miteinander Umgehens im Netz sehr schätze. Manche Leute, die mit dem Internet nichts zu tun haben, mögen vielleicht denken, dass wir alle kontaktarme bedauernswerte Geschöpfe sind, die einsam und allein ihre Freizeit vorm PC verbringen.

Aber das Gegenteil ist der Fall! Mein Bekanntenkreis hat sich enorm erweitert, seit ich im Internet bin. Mit dem Unterschied, dass sich meine persönlichen Kontakte nun nicht mehr in erster Linie auf meinen Wohnort Hamburg, sondern auf ganz Deutschland und das nahe Ausland beziehen.


"Ich würde mir einen respektvolleren Umgang miteinander wünschen"


KriT: Diese faszinierende Erfahrung teile ich mit Dir. Es entstehen neue Freundschaften aber auch Arbeitsbeziehungen. Wohin wird das allgemein gesehen führen? Was wäre wünschenswert im Hinblick auf ein neues Verständnis von Arbeit und Austausch über nationale Grenzen hinweg?

Birgit: Die Frage kann ich so global nicht beantworten, denn ich stolpere bereits über den Begriff 'Verständnis'. Ich wäre schon sehr froh über mehr Verständnis für meine Web-Tätigkeiten in meinem ganz normalen alltäglichen Umfeld. Immer wieder gerate ich in die Situation, mich vor manchen Freunden, Verwandten oder Kollegen rechtfertigen zu müssen. Zwangsläufig habe ich weniger Zeit für sie, sonst könnte ich nicht so intensiv meine Seiten betreuen. Aber bringt es mich nicht weiter, mich kreativ zu beschäftigen, als einmal um die Alster - so schön sie auch ist - zu gehen? Lerne ich im Netz nicht mehr, als bei einem Sonntagnachmittag-Kaffeetrinken? Die Frage "warum machst Du das eigentlich?" wird doch an Maler, Musiker oder Literaten gar nicht erst gestellt. Und Leute, die in ihrer Freizeit Sport treiben oder fotografieren, die werden doch auch nicht milde belächelt!

KriT: Ich möchte mit meinen Fragen auch immer etwas die Person vorstellen, die hinter den Webprojekten steckt. Deshalb auch die Frage: Wer ist Birgit Bachmann und was tut sie sonst noch alles im Alltag.

Birgit: Eigentlich wollte ich Lehrerin werden. Ich habe Kunsterziehung studiert und das Referendariat abgeschlossen. Aber bereits seit 10 Jahren werden kaum Lehrer eingestellt, und solche für Kunst schon gar nicht. Hab mir also damals einen Job gesucht, bin beim NDR gelandet und geblieben. Dort war ich mehrere Jahre in aktuellen Redaktionen als Sekretärin beschäftigt bis ich letztes Jahr als Sachbearbeiterin in die Lizenzabteilung wechselte. Abgesehen davon, dass ich eigentlich zu wenig verdiene (aber wer behauptet das nicht), macht mir meine jetzige Tätigkeit wirklich Spass. Sie ist anspruchsvoll und abwechslungsreich und ich habe supernette Kollegen. Beruflich habe ich mit dem Internet bisher nur am Rande zu tun, an meinem Arbeitsplatz gibt es noch nicht einmal einen E-Mail-Anschluss. Nun mache ich in meiner Freizeit das, was ich mal beruflich tun wollte. Vieles von dem, was ich gelernt habe, fliesst in irgendeiner Form in meine Internet-Projekte ein. So brauche ich nicht das Gefühl zu haben, dass mein Studium für die Katz' war. Da kann man doch mal sehen, für was das Internet alles gut sein kann!

KriT: Es ist soweit! Der stärkende KriT-Apfel wird dir umgehend zugeschickt. Wird er Dir munden?

Birgit: Aber selbstverständlich, denn ich denke nicht, dass es der vergiftete Apfel ist, den die böse Stiefmutter Schneewittchen gab! Und dass Du einen Apfel gewählt hast, finde ich absolut treffend, denn so unterschiedlich und facettenreich, wie sich die Personen in Deinen Interviews darstellen, genauso vielfältig ist doch auch die symbolische Bedeutung des Apfels: Es fing schon an mit dem Apfel der Erkenntnis, den Eva Adam überreichte und beide aus dem Paradies vertrieb. Der goldene Apfel, den Helena als schönste Frau in der griechischen Mythologie erhielt, - der erste Award ;-) - führte zum Krieg. Und in Bildern des Mittelalters findest Du den Apfel als ein Zeichen für Fruchtbarkeit und Leben. Du siehst, der Apfel symbolisiert die ganze Bandbreite des Lebens. So wie das Internet!

Blinde Kuh  |   Birgit Bachmann Homepage
 


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