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Ich will Spaß

Harald Taglinger über sein neues Buch ».EXE ungelöst« und die Arbeit zwischen Kunst, Kommerz und Kommunikation.


 

KriT: Dein aktuelles Buch heißt ».EXE ungelöst - Aus dem komplizierten Leben eines vernetzten Zeitgenossen«. Wie würdest Du einem Newbie Inhalt und Intention Deines Buches erklären.

Harald: .EXE ungelöst ist die dünne, dünne Scheidewand zwischen Alltag und Wahnsinn, den beide kennen: Computer-Freaks im Umgang mit leicht verblödeten Menschen aus den Geisteswissenschaften und Feuilleton-Leser im Umgang mit ungewaschenen Programmierern. Das sollen beide Seiten man ruhig zugeben und Spaß dabei haben.


KriT: Typisch fuer Deine Schreibe in den »Axel Files« ist der erfrischende unermüdliche Wortwitz. Wo hast Du den her? Geerbt, erarbeitet? Oder ist er Kompensation von Frust durch Computer und Internet, durch die wahnsinnig rasant voranschreitende Technisierung der Zwei-Drittel-Gesellschaft?

Harald: <blink>Wortwitz</blink> entsteht durch Zwei-Drittel-Drehungen, die stattfinden müssen, bevor ein Leser den Satz zu Ende denken kann. Das ist die handwerkliche Seite. Dann will ich auch Spaß haben beim Schreiben. Und vermutlich hat das alles damit zu tun, dass ich eine Weile in London und Berlin gelebt habe. Wer dann Wortwitz nicht zu schätzen weiß, kommt aus Schottland.


KriT: Du schreibst, machst Webseiten, lehrst und experimentierst mit Tönen (oder sollte ich Musik sagen? ;-). Gibt es für Deine Arbeit eine treffende Umschreibung, einen Begriff, eine Erklaerung?

Harald: Ich beschreibe sie gerne als Tasten zwischen Kunst, Kommerz und Kommunikation. Noch ein »K«. Ich kenne ein Menge konvergenter Typen in diesem Business, die mehr als nur ein Handwerk gelernt haben. Also bewege ich mich hier unter Freunden. Digitale Technik gibt zum ersten Mal alle Freiheiten, frei kompatibel (Schon wieder ein »K«) zu arbeiten. Ist das nicht wunderbar?


KriT: Seit 1996 hast Du auch verschiedene Lehraufträge bekommen. Was lehrst Du, welcher hat Dir bisher am meisten Spaß gemacht und sind sie gut bezahlt?

Harald: Die Tatsache, dass ich heute in der Schweiz lebe, sollte auf die Bezahlung von Lehraufträgen keine Rückschlüsse zulassen. Natürlich machen sie alle Spaß. Ich freue mich auf den nächsten bei Prof. Dr. Peter Glotz, der mich eingeladen hat, einen Tag lang mit seinen MBA-Studenten in ST.Gallen »new economy« zu simulieren. Na, die werden sich bedanken.
Sehr schön fand ich das Projekt der »Nachtwachen« an der Uni München bei Prof. Georg Jaeger (Buchwissenschaft). Das war ein 20-Stunden-Seminar from the scratch, aus dem auf der Basis der Nachtwachen von Bonaventura ein Remix des Textes als Website entstand. Nett. Wir haben leider nur Ärger mit den Wächtern der Uni bekommen. Lehrveranstaltungen, die nachts um 3.00 Uhr noch laufen und lachende Studenten beherbergen, müssen ja mit Drogen zu tun haben. Oder mit den Grünen. Beides wäre mir peinlich.


KriT: Auf Deiner Website gibt es einen Menüpunkt namens »Act«. Ich bin nicht ganz schlau daraus geworden aus diesem Sound- und Bildgemisch namens »Terror«, der sich zudem mit dem nicht abschaltbaren Hintergrundgepauke Deiner Website vermischte. Wo willst Du hin damit? ;-)

Harald: Keine Ahnung. Das ist ein Protokoll einer Zusammenarbeit zwischen Wolfgang Schmetterer, Günther Hack und mir. Solche Dinge passieren wie eine Jam-Session. Das »Gepauke« ist ein auf C-DUR aufbauender Lauf (Für die Techniker: In Dynamo via CUBASE gebaut und gemastert), der mir zu den Farben zu passen schien.


KriT: Was faellt Dir spontan und vielleicht zusammenhängend zu Lounge, De-Phazz, PALM Vx, Flash und Lifestyle ein?

Harald: Kinderkacke. Nieder mit den Seitentaschen-Hosen. Wir sind doch hier nicht im Kasperltheater! Was ist denn an Werkzeug Erkenntnis-erweiternd? Eben. Ein Stemmeisen ist eine gute Sache, wenn es scharf ist. Sonst hat es nichts zu bedeuten.


KriT: Jetzt hätte ich fast das Internet vergessen! *g* Du kennst es sicher in und auswendig, ich meine die Tücken, Untiefen, Hypes, die Dienste und Verdienste, die Pleiten und Pannen. Was davon ragt heraus und welche Unfälle und Höhenflüge sind vorprogrammiert?

Harald: Sehr lustig fand ich, wie Hubert Burda 1995-96 angeblich eine halbe Milliarde darin versenkt hat und dann nicht einmal mit der Maus umgehen konnte. Prima. Ach ja: wie heisst dieser Locken-Guru? Ossi Urchs. Nix Tuten, nix Blasen, aber sehr nett. Und dann liebe ich Pixelpark und Kabel New Media. Der Aktienkurs spricht aus, was ich nicht einmal zu denken wage.


KriT: Mich interessiert noch die Essenz aus einem Tag Selbstbeobachtung.

Harald: Essenz? Ich lebe. Das ist schon eine Menge.

Wen es denn wirklich interessiert; mein Tag heute:

  • 7.00: Aufstehen, bisschen Haushalt. Mist, das Altpapier wird heute nicht weggebracht.
  • 8.00: Stau am Milchbruck-Tunnel, AC/DC im Wagen hören. Lustig. Damals in der Landjugend. Bärbel konnte so toll Luftgitarre spielen.
  • 8.30: 600 Mails im Laptop während eines Meetings über Sharepoint ordnen, weil ich den ersten Tag vom Urlaub zurück bin. 400 davon tun nur so, als müsste man sie lesen.
  • 11.30: Redaktionskonferenz am Telefon, währenddessen wired.com und heise.de lesen.
  • 12.00: As Brödli (Gulp)...warum arbeite ich nicht in Italien?
  • 12:03: Buchhaltung und Bewerbungen sichten. Och nöööööö.
  • 14.00: Konzept für meine neue Abteilung aufbauen...naja, anfangen damit.
  • 16.00: Conference-Call mit Kollegen aus München. Zwei davon haben mal wieder ihr Handy ausgeschaltet. Na wartet!
  • 17.00: Telefonat mit Autoren. Liebhaben, Liebhaben, Liebhaben.
  • 17.30: Stau (Diesesmal mit Prodigy. Immer noch lecker Musik.)
  • 18.00: 2 Stunden Kraftraum und zuschauen, wie ein paar Wahnsinnige Tai Bo machen. Toll. Will auch Bruce sein. Aber immer schön unter 135 Puls bleiben.
  • 20.00: Tagesschau und gröhlen über Spiegel-Artikel zur Aktion von TITANIC vs. CDU. Mein Gott, sind die gut.
  • 20.30: Tee kochen, heute Cocos-Geschmack. Hach.
  • 21.00: Mails beantworten, Tripp nach Berlin und Termin in Wolfsburg vorbereiten. Dieses Interview.
  • 22.00: An meiner Doktorarbeit schreiben. Mist. Ich komme nicht weiter.
  • 22.30: Musik. Mirko hat gestern einen Beat bei mir eingespielt. Ich schneide Gitarren dazu. Aber das fetzt nicht.
  • 0.00: Bisschen lesen, bisschen telefonieren mit einer ganz entzückenden Frau, die leider nicht hier sein kann.
  • 1.00: Schlafen. Sehr tief. Sehr friedlich.
Mal ehrlich. War das jetzt wirklich interessant? Mhm.


KriT: Zuguterletzt die obligatorische Frage nach ein paar kommentierten Lieblingssites im Netz der Netze. Wie heissen sie und warum sind sie gut, wichtig, unverzichtbar?

Harald: Und hier beginnt die große Enttäuschung:
Bild: Vox populi
Heise: Vox mechanici
Damit beginnt mein Morgen.

Ich surfe eigentlich prinzipiell über Google und dann sofort zum entsprechenden Treffer des eingegebenen Schlagworts. Das betreibe ich sehr exzessiv, da im Büro und zuhause mit Standleitung ausgestattet (Nur so ist TV zu ertragen.). Besondere AHAAAAAs habe ich selten. Das war 1995 und 1996 spannend. Jetzt ist es selbstverständlich, gute Seiten zu sehen. Auf jede Seite lässt sich übrigens verzichten. Das liebe ich so am Web.

KriT: Vielen Dank für das Interview.



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