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Die Verschiedenheit der Herausforderungen

sucht Jens Oliver Krystof in seinem Job als Texter. Wie er arbeitet, was er an Webtexten kritisiert und welche Sites er gerne ansteuert, erzählt er im Apfel-Interview.


 

KriT: Du betreibst eine Website namens Textschmiede. Wie ist dieses Projekt entstanden und welche Ziele hat es?

Jok: Textschmiede.de ist momentan meine universelle Online-Heimat: Hier biete ich meine Dienstleistungen als freier Texter, eine kommentierte Linksammlung und eine kleine Sammlung diverser, eigener Textproben an. Die recht beliebte Linksammlung soll in Kürze unter eigener Domain Linkissimo.de deutlich erweitert und mit einem neuen Design an den Start gehen. Vera Kreuzberg, mit der ich das Projekt gemeinsam realisiere, hat die grafischen Arbeiten und den HTML-Code schon fertig, allein mir fehlt ein wenig die Zeit, die kompletten Inhalte zu implementieren. Auch meine eher privat gehaltenen Textproben sollen in Zukunft ausgelagert werden, so dass Textschmiede.de dann ein reines Businessangebot darstellen wird. Aber bis dahin schreiben wir bestimmt schon das Jahr 2001.

Jens Oliver Krystof

KriT: Du arbeitest als freier Texter und Autor. Welche Voraussetzungen sind denn zu erfüllen, um sich am freien Markt behaupten zu können? Was tust Du, um Dich zu etablieren?

Jok: Dass die Arbeit als freier Texter und Autor kein Zuckerschlecken ist, habe ich schon recht bald nach meiner Existenzgründung im April 1998 zu spüren bekommen. So war die ersten eineinhalb Jahre vor allem davon geprägt, www.textschmiede.de bekannter zu machen und Kontakte zu knüpfen. Heute ist die Site in vielen Suchmaschinen gut positioniert und bietet mit gut 3000 Besuchern monatlich eine tragfähige geschäftliche Basis. Seit einigen Monaten ist die Nachfrage so groß, daß ich immer wieder potentiellen Kunden absagen muss. Im Gespräch mit anderen Jungunternehmern ernte ich regelmäßig ungläubige Blicke, wenn ich erwähne, dass ich mehr als 95% meiner Aufträge über das Internet generiere. Aber was soll ich machen - es stimmt.

Doch ich glaube, Du fragtest nach so etwas wie dem »Geheimnis meines Erfolges«. Das ist gar nicht so leicht festzumachen. Harte Arbeit, ein etwas übersteigerter Hang zum Perfektionismus und Erfolgsbesessenheit gehören sicher ebenso dazu wie ein gutes Sprachgefühl, das mir wohl in die Wiege gelegt worden ist. Für sehr wichtig halte ich aber auch eine absolute Kundenorientierung. Es zählen nur der Nutzen des Kunden und die Befriedigung seiner Wünsche. Ob mir die Texte dann gefallen, ist ehrlich gesagt zweitrangig.

Vorteile bringt mir auch meine ein wenig ungewöhnliche Positionierung, die auch durch die Verschiedenheit meiner Textdienstleistungen bedingt ist. So bemerke ich einen zunehmenden Bedarf an Ghostwriting, das sich langsam zu einer ganz normalen Dienstleistung zu entwickeln scheint. In diesem Bereich ist die Kundenpalette äußerst bunt: Da gibt es den Brautvater, der mit seiner Tischrede überfordert ist, genauso wie den Geschäftsmann in Führungsposition, der bei einem Jubiläum, einer Produkteinführung oder einem politischen Anlass nichts dem Zufall überlassen möchte. Im Segment PR-Texte erstelle ich vornehmlich für Klein- und Kleinstfirmen Mailings, Produktbeschreibungen, Presse- und natürlich auch Webtexte. Am liebsten aber überarbeite ich bereits erstellte Texte - da sieht der Kunde gleich, was sich aus seinem Entwurf noch alles rausholen läßt. Ein Unternehmensberater hat mir anfangs geraten, ich solle mich spezialisieren. Aber genau das würde mir keinen Spass bereiten. Ich brauche die Verschiedenheit der Herausforderungen. Lediglich um reine Werbetexte, wie wir sie aus Hochglanzprospekten oder der Fernsehwerbung kennen, mache ich überwiegend einen großen Bogen. Mir ist das ein wenig zu überdreht und abgehoben, so dass ich das gerne den Texterkollegen in den klassischen Werbeagenturen überlasse. Unverzichtbar sind für mich mittlerweile eine Reihe strategischer Kooperationen, zum Beispiel mit Jörn Weber von der Seitenschmiede, Vera Kreuzberg von Handmade-Pages.de oder mit Wolfgang Bleh von Internet Intern im Bereich der Content-Produktion.

Last but not least ist es aber das World Wide Web selbst, dem ich meinen Erfolg verdanke. Ohne das Web gäbe es keinen schnellen und kostengünstigen Datenaustausch via E-Mail, keinen mal eben per FTP aktualisierbaren Firmenprospekt und keine Kunden aus allen Ecken Deutschlands und den deutschsprachigen Nachbarländern.


KriT: Stichwort Webtexte: Es scheint keine Selbstverständlichkeit zu sein, angemessene und ausgefeilte Texte für Websites zu schreiben. Was fällt Dir an schlechten und guten Texten auf Websites, in Newslettern und E-Mails auf?

Jok: Nun, ich lese Webtexte stets zweimal: einmal als normaler Consumer, ein weiteres Mal aus der Sicht eines Texters. Im Vordergrund steht in beiden Fällen immer eine grundlegende Intention - die Suche nach der Lösung für ein bestimmtes Problem bzw. die Antwort auf eine konkrete Frage. Ist dies nicht gegeben, habe ich die Website das erste und das letzte Mal besucht. In zweiter Linie achte ich dann - gerade bei technischen Themen - auf die Verständlichkeit sowie auf eine angenehme Tonality. Bei vielen Magazinen und ähnlichen Contentprovidern ärgert mich in den letzten Monaten vor allem ein Trend zu populistischer, reisserischer Aufmachung mit dem nicht selten fehlende Kompetenz maskiert wird. Vor allem aber scheint es nur noch um Visits, Page Impressions und somit Werbeeinnahmen zu gehen. Ich entschädige mich dafür dann gerne mit einem Besuch auf einer der zahlreichen Unterseiten von Zeit.de, einem trotz der unhandlichen Struktur immer noch bemerkenswerten Webangebot.

Wahrscheinlich bin ich einer der wenigen User, der die Texte rein gewerblicher Sites von A bis Z liest. Für mich sind solche Webtexte immer zugleich ein anregender Fundus für neue Formulierungen und Ideen sowie mahnendes Beispiel, wie man es besser nicht macht. Kurz: ein lebendiges Lehrbuch für textende Menschen. Was ich nicht mag, sind diese ultrakurzen, schlagwortgespickten Webtexte. Oft habe ich dort den Eindruck, man möchte besonders trendy sein und den Leser nicht durch zu viel Worte auf Schwachstellen aufmerksam machen. Dass gute Webtexte immer kurz und knapp sein müssen, halte ich für ausgemachten Unsinn. Die früher oft beschworenen Onlinekosten sind doch kaum mehr existent. Natürlich ist das Lesen am Bildschirm nicht so angenehm, aber wenn ich nur bruchstückhaft informiert werde, ist mir doch auch nicht geholfen. Richtig »verpackt« bzw. gegliedert, verkraften viele Leser sicher mehr Text, als man gemeinhin annimmt.



 

Im Bereich Newsletter vermisse ich die neuen, völlig unkonventionellen Ideen. Vieles ist ein platter Abklatsch bewährter Strickmuster. Newsletter, die nur aus Teasern bestehen, habe ich bis auf Internet Intern und die Golem Network News fast alle abbestellt.

Die guten Texte sind ob der Masse nicht immer leicht zu finden. Aber es gibt sie ohne Frage. Allerdings ist das Prädikat »guter Webtext« immer sehr subjektiv. Meinem persönlichen Geschmack entsprechen am ehesten die Texte von Klaus Brandstetter, Dr. Thomas Wirth oder Claudia Klinger. Da ist nichts aufgesetzt, die Sprache von Klarheit geprägt und durchgängig eine Leserorientierung erkennbar.


KriT: Du wohnst im tiefsten Westen des Ruhrgebiets, in Duisburg. Spielt der Standort fuer Deinen Job eine Rolle, auch angesichst der hohen Arbeitslosigkeit und einer doch noch weitverbreiteten Skepsis gegenüber dem Internet?

Jok: Nein, das spielt keine Rolle. Du hast die Lage des Ruhrgebietes zwar treffend skizziert, aber dank des Internets haben solche regionalen Strukturen für mich kaum noch Bedeutung. Ich mag die Offenheit der Menschen hier, fühle aber selber keine starke Bindung an die Region. Wenn Familie und Firma im nächsten Jahr in ländlich geprägtere Regionen des Niederrheins umziehen, werde ich kaum mehr vermissen als einige mir wichtige Kindheitserinnerungen. Der Abstand zwischen neuer und alter Heimat ist so gewählt, dass ich einerseits von mehr Ruhe und guter Landluft profitieren kann, andererseits aber Freunde und Verwandte noch gut erreichbar sind. ;-)


KriT: Stichwort Ruhrgebiet und Web: Wie präsentiert sich das Ruhrgebiet aus Deiner Sicht im Internet, was fehlt Dir und welche Sites steuerst Du gerne an.

Jok: Da hast Du mich wirklich auf dem falschen Fuss erwischt. Das Ruhrgebiet ist im Internet vertreten? Da muss ich ja gleich mal schauen. Aber im Ernst: Abgesehen von den durchwachsenen Onlineauftritten einiger Revierstädte und der Website von NRW.de, wo ich gelegentlich einige Informationen abrufe, ist mir kaum etwas bekannt. Vielleicht solltest Du im Rahmen Deines KriT-Letters mal ein Ruhrgebiets-Special bringen...


KriT: Als Freiberufler sind normale Arbeitszeiten kein Thema. Wie verbindest Du Berufs- und Privatleben?

Jok: Du hast Recht. Normale Arbeitszeiten waren lange Zeit kein Thema. Im Moment geht es mir geschäftlich so gut, dass ich mir zunehmend wieder mal ein freies Wochenende leisten kann. Was nützt mir der schnöde Mammon auf dem Konto, wenn ich keine Zeit mehr für meine Kinder und meine Frau habe? Damit sich das Ganze lohnt, schalte ich an solchen Tagen - das Handy eingeschlossen - komplett ab. Da meine leistungsstärksten Phasen in den frühen Morgenstunden und am Abend liegen, bin ich aber auch öfters tagsüber mal Privatmensch und erledige Einkäufe oder das Kochen.


KriT: Wie würdest für unsere Leser den Menschen Jens Oliver Krystof unterhaltsam und kurz beschreiben?

Jok: Ich bin der eher introvertierte, beobachtende Einzelgänger. Neueste Trends, Mode, erzwungene Geselligkeit und Nikotin sind mir ein Graus. Gleichzeitig würde ich mich aber auch als Familienmensch bezeichnen, der mit großer Freude und Spannung seine Kinder heranwachsen sieht. Am besten entspanne ich mich auf ausgedehnten Spaziergängen, bei der Gartenarbeit oder beim Spielen mit meinen Kindern. Wenn ich einmal Musik höre - beim Arbeiten brauche ich die Stille - sind es meistens Oldies aus Zeiten von Joe Cocker, Jim Croce, Bap und den Beatles. Als körperlichen Ausgleich zur Kopfarbeit bewege ich dann die Krafttrainings-Maschinen bei Kieser Training, denen ich das Verschwinden meiner Rückenprobleme verdanke. Außerdem koche und esse ich gerne und bin Fan sowohl der türkischen als auch der fernöstlichen Küche.

KriT: Zuguterletzt die obligatorische Frage nach Deinen akutellen Webfavoriten. Welche sind es?

Jok: Momentan bin ich Stammgast bei Dell, weil ich mich bei der Konfiguration meines neuen PCs einfach nicht entscheiden kann. Aber das ist natürlich kein richtiger Surftipp. Zum Lachen bringen mich solche trocken-skurrilen Hinweise wie auf http://www.kommdesign.de/info.shtml. Immer wieder gerne schaue ich auch bei den RipFiles von paeng oder beim Literatur-Cafe rein. Dass ich regelmäßig beobachte, was sich bei KriT Neues tut, verrate ich jetzt besser nicht, das könnte nach Lobhudelei ausschauen.

KriT: Vielen Dank für das Interview und das nette Lob. :-)

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